Die Rapid-Viertelstunde
Bei jedem Rapid-Spiel wird traditionell zu Beginn der letzten 15 Minuten von den
Anhängern die legendäre "Rapid-Viertelstunde" eingeklatscht. Nach Überlieferungen soll
dieses Einklatschen im Jahr 1919 erstmals erfolgt sein. Tatsächlich ist der Begriff
"Rapid-Viertelstunde" sicher noch einige Jahre älter.
Ein genauer Zeitpunkt für
die Geburtsstunde der Rapid-Viertelstunde ist aber kaum festzumachen, da sich dieses Ritual
wohl spontan entwickelt hat und keinem fixen Plan folgte. Wahrscheinlich entstand es
bereits auf dem Rudolfsheimer Platz, an dem Rapid von 1903 bis 1912 seine Heimspiele
austrug. In unmittelbarer Nähe der Rudolfsheimer Kirche könnte auch die dazugehörige
Turmuhr in dieses Ritual mit eingebunden worden sein. Das wurde dann 1912 auf die neue
Pfarrwiese übernommen, mit der die großen Rapid-Erfolge der nachfolgenden Jahrzehnte
untrennbar verknüpft sind.
Erste Anzeichen
So war Rapid beispielsweise im
Jahr 1908 besonders erfolgreich und blieb von März bis Oktober in 19 Spielen in Folge gegen
Wiener Teams ungeschlagen. Dabei schrieb das "Neue Wiener Tagblatt" am 28. September 1908
anlässlich des Spiels der Cricketer gegen Rapid (1:1):"Die Rapidmannschaft [...] setzte zu
vehementen Angriffen ein, ihre berühmte Viertelstunde war gekommen, [...]" - und
setzte einige Zeilen später fort: "Die Vermutung, dass Rapid in der zweiten Hälfte, wie
schon so oft, das Match im Endspurt für sich entscheiden werde, traf nicht zu." Diese
Formulierungen deuten bereits auf eine frühzeitige Existenz der Rapid-Viertelstunde hin.
In der ersten Meisterschaftssaison 1911/12 gab es ebenfalls einige Spiele, die
erst im Finish entschieden wurden. So erzielte Rapid-Stürmer Gustav Blaha im
Meisterschaftsschlager gegen den hohen Favoriten WAF am 29. Oktober 1911 in der 75. Minute
den 2:1-Siegestreffer. Das Spiel wurde vier Minuten vor Schluss abgebrochen, aber das
Resultat wurde bestätigt.
Die ersten Meistertitel
Auch im Rückspiel gegen
den WAF, am 16. Juni 1912 auf der Pfarrwiese, fiel das Rapid-Tor zum Ausgleich von 1:1 erst
zehn Minuten vor Schluss durch Leopold Grundwald. Ebenso beim letzten Meisterschaftsspiel
der Saison zwischen Rapid und Cricket am 30. Juni 1912: Bis zur 84. Minute stand es 1:1,
ehe Heinrich Krczal und Josef Schediwy noch auf 3:1 stellten und damit den ersten
Meistertitel für Rapid fixierten.
Am 17. November 1912 führte der FAC in
Floridsdorf im Spiel gegen Rapid bis 15 Minuten vor Schluss mit 1:0. Dann drehten Krczal
und Josef Brandstetter mit drei Toren in zehn Minuten das Spiel noch um. Das Fremdenblatt
schrieb damals: "Es hätte nicht viel gefehlt und Rapid wäre geschlagen worden. Bis zu
Beginn der letzten Viertelstunde hatten die zu schönem Zusammenspiel mit guten Erfolgen
arbeitenden Floridsdorfer mit 1:0 die Führung."
Auch in der Folge entschied
Rapid immer wieder Spiele im Finish. Am 1. Dezember 1912 wurde der WAF auf der Pfarrwiese
nach 0:1-Pausenrückstand abermals durch ein Tor von Gustav Blaha in der 80. Minute noch mit
2:1 besiegt. Das Spiel gegen den WAC stand 15 Minuten vor Schluss noch 2:2. Endstand 4:3.
Im vorletzten Meisterschaftsspiel der Saison verhinderte Leopold Grundwald mit seinem Tor
in der Schlussminute zum 2:2 eine Niederlage gegen den WAF. Rapid wurde ungeschlagen
Meister 1912/13.
Nicht immer die letzten 15 Minuten
Immer wieder finden
sich in Zeitungen Hinweise auf die "berühmte Viertelstunde". Am 22. September 1913
berichtete das Fremdenblatt anlässlich des Spiels Ferencvaros - Rapid: "Nun kommt
die Viertelstunde der Wiener in welcher Rapid seine Musterform glänzend demonstrierte."
Weiter: "Es waren vorbildliche, und was für den schließlichen Ausgang des bedeutenden
Spiels von besonderer Wichtigkeit schien, erfolgreiche 15 Minuten."
Einen
weiteren Beweis für die Existenz der "Rapid-Viertelstunde" liefert das Fremdenblatt
dann am 10. Mai 1915 anlässlich des Spiels Rapid gegen FAC: "Die vielerwartete
Viertelstunde Rapids, die nahezu zum geflügelten Worte geworden ist, stellt sich ein."
Wobei hier bemerkenswert ist, dass nicht von der letzten Viertelstunde die Rede war,
sondern von einer Viertelstunde zu einem unbestimmten Zeitpunkt - in diesem Fall zu Beginn
der zweiten Halbzeit.
Dass die Rapid-Viertelstunde anfangs nicht zwangsläufig am
Ende erfolgen musste, zeigt auch folgendes Zitat aus dem Fremdenblatt vom 2.
November 1915: "Rapid hat diesmal seine berühmte Viertelstunde auf den Beginn des Spiels
verlegt." Aber im Allgemeinen verstand und versteht man unter der Rapid-Viertelstunde
bis heute die letzten 15 Minuten des Spiels.
Beispiele für die Rapid-Viertelstunde
Das Neue Wiener Tagblatt berichtet am 9. September 1916: "Erst in der
letzten Viertelstunde zeigt sich die Überlegenheit der Hütteldorfer." Die gleiche
Zeitung schreibt am 13. November 1916 über das Spiel Rapid gegen Sportclub: "Das
Endergebnis von 2:0 stellten die Rapid-Spieler erst in ihrer berühmten "Viertelstunde"
her." bzw. "Erst in den letzten 15 Minuten des Wettspiels konnten die Dornbacher
dem immer schärfer werdenden Tempo nicht mehr ganz folgen und mussten in dieser Zeit die
zwei Treffer hinnehmen."
Im Jahr 1917 war die Rapid-Viertelstunde bereits
ein fester Begriff, wie Auszüge aus der Allgemeinen Sportzeitung vom 28. April
zeigen. "Der "Rapid" befolgte der "Hertha" gegenüber ein von seiner sonstigen
Gepflogenheit abweichendes Vorgehen; er spielte nicht "auf Warten", hob sich nicht sein
Bestes auf die "letzte Viertelstunde" auf, sondern machte es gerade umgekehrt, sicherte
sich von Anfang an einen derartigen Vorzug, dass er den Sieg bereits bei Halbzeit
vollkommen in der Hand hatte, und ließ dann die Dinge so ziemlich gehen, wie sie
wollten."
Ebenfalls in der Allgemeinen Sportzeitung findet sich ein
Bericht über das Spiel Rapid gegen Wacker: "Der "Rapid" gewann ein Spiel gegen den
"Wacker" mit 4:0, also überlegen, dennoch aber keineswegs leicht. Bis weit über die Pause
hinaus betrug der Stand 1:0; die Hütteldorfer blieben auch insofern sich selber treu, als
sie zuguterletzt noch einmal ihre "letzte Viertelstunde" in vollem Glanze hervorkehrten."
Die Atmosphäre bei Rapid-Spielen
Neben der Rapid-Viertelstunde weiß
das Fremdenblatt 1918 auch einige andere Details über die Atmosphäre bei
Rapid-Spielen, hier anlässlich der Partie Rapid gegen Rudolfshügel: "Es war von jeher
schwierig, Rapid in einem Meisterschaftsspiel auf dem eigenen Platze niederzuringen. Rapid
ist eine Mannschaft, die zähe zu kämpfen versteht, die durch einen gewaltigen Anhang
künstlich aufgepeitscht, fast immer in einer "berühmten Viertelstunde" den Gegner
niederzurennen verstand, wobei inmitten des wüsten Lärms und der unglaublichsten
Reklamationen gewöhnlich auch der Schiedsrichter um seine Ruhe gebracht wurde."
Das Spiel gegen Rudolfshügel ging in diesem Fall verloren...: "Der Sieg wurde gegen eine
bis zum Terror gesteigerte Parteinahme des mehrtausendköpfigen Publikums errungen."
Ein Teil von Rapid
Abschließend kommt abermals das Fremdenblatt beim Spiel
Sportclub gegen Rapid am 21. April 1918 aus Erfahrung zum Schluss: "Allgemein meinte
man, dass Rapid jetzt überlegen davonziehen werde und in den restlichen Minuten, also der
berühmten Rapid-Viertelstunde, noch einige Treffer erzielen werde."
Die
Tradition hat sich bis heute bewahrt und das Einklatschen der letzten 15 Minuten ist seit
über einem Jahrhundert ein fixer Bestandteil jedes Rapid-Spiels und damit untrennbar mit
Rapid verbunden.