Robert Pecl im Gespräch
 

Interview vom 23. September 2010 mit freundlicher Genehmigung von forza-rapid.com

"Die Medien haben meine Ausschlüsse provoziert" ein meines Lebens"

Robert Pecl ist eine Rapid-Legende, wie sie im Buche steht. Am 15. November 1965 wurde er geboren, am 05. Juni 1995 musste der Skorpion bereits seinen Stachel einziehen und seine Karriere verletzungsbedingt beenden. Zu Beginn seiner Laufbahn stemmte der "Eisenfuß" einen Meisterteller in die Höhe, an deren Ende den Pokal für den Cupsieg. Dazwischen lagen ein weiterer Meistertitel und ein Cup-Erfolg, viele Verletzungen, wirtschaftliche Krisen im Verein, Weltklasseleistungen und ganz, ganz viel Karton. Rund 80 gelbe und zehn rote Karten, die er im Laufe seiner Vereinskarriere vor die Nase gehalten bekommen hat, machten ihn zum "Roten Robert". Im Gegensatz zu den Referees genoss der Verteidiger beim Publikum und seinen Teamkollegen eine hohe Popularität - zweimal wurde er zum "Fußballer des Jahres" gewählt, von 1992 bis 95 war er Kapitän des SCR. Als der 31fache Teamspieler Robert Pecl seine aktive Zeit als Kicker nach insgesamt sieben Knie-Operationen beenden musste, meinte Rapids damaliger Klubarzt Dr. Lugscheider, dass Pecl die "größte Tragödie Hütteldorfs" sei. Aus heutiger Sicht auch eines der größten Wunder...

Als ich beim einstigen Raubein um einen Interview-Termin anfrage, ist er nett und zuvorkommend. Bereits zwei Tage nach der ersten Kontaktaufnahme sitze ich bei Robert Pecl im Büro. Der Ex-Kicker ist Chef in der Wiener Niederlassung der Werbeartikel-Firma PF Concept . Am Ende einer Halle, in der die beeindruckende Palette des Firmen-Angebots ausgestellt wird, setzen wir uns zu Tisch, um in aller Ruhe über die Schwerpunkte von Roberts erfolgreicher Karriere zu sprechen. Das Du-Wort bekomme ich ebenso schnell angeboten, wie ein Getränk. Es ist eine gemütliche Atmosphäre, in der wir über die Pecl'sche Laufbahn sprechen. Bei zwei Zigaretten gibt mir der einstige Abwehrchef bereitwillig Auskunft. Und ich laufe nie auch nur im entferntesten Gefahr, von ihm aus den Büro-Räumlichkeiten getackelt zu werden.

1976 bist Du als Elfjähriger von Rapid Oberlaa nach Hütteldorf gekommen. War das ein Kooperations-Verein des SCR?
Eigentlich nicht. Es hat damals den Herrn Köstenberger gegeben, der Trainer im Rapid-Nachwuchs war und selbst Scouting betrieben hat. In dieser Angelegenheit ist er zu den ganzen Unterliga-Vereinen gefahren. Zuerst hat er meinen Bruder entdeckt, der ein, zwei Jahre vor mir zu Rapid gegangen ist. In weiterer Folge bin ich dann 1976 nachgestoßen.

Wie weit hat es Dein Bruder bei Rapid geschafft?
Bis zur U21 hat er bei Rapid gespielt. Dann hatte er allerdings Knieprobleme und musste seine Karriere beenden.

Was hat es für Dich bedeutet, von Rapid geholt zu werden?
Seit ich mich erinnern kann, war ich Rapid-Anhänger. Da hat es perfekt gepasst, dass der Name in Oberlaa auch schon vorhanden war! Und obwohl ich im 10. Bezirk aufgewachsen bin, wo angeblich so viele Austrianer leben, war ich immer ein Grünweißer. Bei uns zuhause war Rapid der absolute Topverein!

Bei Deinem Wechsel zum SCR hast Du noch als Offensiv-Hoffnung gegolten. Wann hat sich das umgedreht?
Bei Rapid Oberlaa bin ich als offensiver Mittelfeldspieler zum Einsatz gekommen und habe auch sehr viele Tore gemacht. Bei Rapid habe ich dann eher im defensiven Mittelfeld gespielt und bin dann immer weiter zurückgegangen. Wenn ich nicht so zeitig aufgehört hätte, wäre ich - wer weiß - noch im Tor gelandet. (lacht)

In der Jugend hast Du mit dem für lange Zeit besten Rapid-Nachwuchs in einer Mannschaft gespielt - Peter Schöttel, Andreas Heraf, Franz Weber, Andreas Herzog waren Teil dieser Youngsters-Truppe. Wann hast Du realisiert, dass es bis ganz nach oben gehen wird?
Am Anfang kann man noch nicht damit rechnen, dass wirklich eine Profi-Karriere herausschauen wird. Das Ziel war es natürlich, aber planen kann man so etwas nicht. Hoffnungen habe ich mir trotz alledem schon gemacht, weil ich immer ein, zwei Mannschaften über meinen gleichaltrigen Kollegen gespielt habe. Als Schüler in der Jugend, als Jugendlicher bei den Junioren, wo ich mit drei Jahre älteren Kickern, auch mit meinem Bruder, gespielt habe. In der U21 war ich auch um einiges jünger als meine Mitspieler. Insofern hat sich immer mehr herauskristallisiert, dass etwas aus mir werden könnte.

Hast Du schon damals mit der Rückennummer 4 gespielt?
Nein, früher habe ich mit der Sechs gespielt.

Hatte es mit einer dieser beiden Zahlen etwas Spezielles auf sich?
Im Nachwuchs war es so, dass Reinhard Kienast mein absoluter Lieblings-Spieler war, weswegen ich darauf geschaut habe, auch mit der Rückennummer 6 zu spielen. In diesem Bereich konnte ich mir die Nummer noch leichter aussuchen. Als ich dann zu den Profis gekommen bin, habe ich mit der 19 begonnen und musste in weiterer Folge darauf warten, bis irgendeine Nummer von 1 bis 11 frei wird. Das war dann beim Vierer von Johannes Pregesbauer der Fall. So bin ich zu der Nummer gekommen.

Als Du am 14. März 1987 in Graz debütiert hast, hast Du noch im zentral-defensiven Mittelfeld gespielt. Wenig später bist Du in der Verteidigung gestanden. War das so geplant oder Zufall?
Von meinem Werkzeug her, dem Attackieren und Tackeln, war sicher hinten für mich die beste Position. Wegen meiner hohen Laufbereitschaft war ich aber auch für das zentrale Mittelfeld sehr gut geeignet. Aber egal, ob ich als Libero, Manndecker oder Mittelfeld-Abräumer gespielt habe - gerade als junger Spieler musst du den Platz annehmen, der sich für dich auftut.

Bis zum Ende der Meisterschaft warst Du dann im Dauereinsatz und hast in einem extrem spannenden Finale gleich die Meisterschaft gewonnen. Das muss doch der pure Wahnsinn für einen "Frischling" gewesen sein! Wie hast Du diese Phase miterlebt, wie sehr wurdest Du von diesen Ereignissen gepusht?
Es war der beste Einstand, den man sich wünschen kann! Die Erfolge waren für mich zu Beginn fast unbegreiflich. Ich bin in eine sehr starke Mannschaft mit vielen arrivierten Stars hineingekommen. Wenn man dann einmal in so einer Mannschaft etabliert ist, hat es viele Vorteile, mit solch routinierten Könnern zusammenzuspielen. Mir ist viel geholfen worden und ich konnte mir so Einiges abschauen. Heri Weber war sicher so ein Mentor. Aber wie gesagt - das Sich-Hineinspielen in so eine Startruppe war nicht ganz so einfach!

Hast Du als "junger Hupfer" den Kofferträger für die Stars spielen müssen?
Ich hatte sehr großen Respekt vor den älteren Spielern und bin mir nicht sicher, ob sich das bis heute hin nicht doch ziemlich geändert hat. Gerade bei Auswärts-Matches haben wir Jungen die Koffer vom Bus in die Kabine getragen, bis alles erledigt war. Die Schuhe haben wir zwar nicht mehr putzen müssen, aber ansonsten waren wir schon auch für die niedrigeren Arbeiten zuständig. Man hat es aber gerne getan, weil sich gerade ein Traum zu realisieren begonnen hat!

Deine erste gelbe Karte hast Du erst nach dem etwa zehnten Spiel kassiert. In Deiner zweiten Spielzeit hast Du bereits zum absoluten Stamm gehört, und es war die einzige Saison, in der Du mehr als 30 Ligaspiele absolviert hast. Trotzdem haben vier Teamkollegen eine rote Karte kassiert, Du aber nicht. 1988/89 waren es dann zwei Ausschlüsse, 1989/90 vier Platzverweise. Hatten die Schiris in Dir einen neuen Lieblings-Sündenbock gefunden? Warum hat sich das so abrupt und radikal geändert?
Die Medien haben damals viel dazu beigetragen und die Story vom "Eisenfuß Pecl" forciert. Sie haben viele meiner Ausschlüsse provoziert. Da hat sich nämlich etwas Unglaubliches aufgeschaukelt. Für die Schiedsrichter war es plötzlich ziemlich einfach, mich mit Rot oder Gelb-Rot vom Platz zu schicken. Zwei, drei Jahre lang war es wirklich extrem! Das erste Foul von mir war fast schon automatisch eine gelbe Karte, das zweite dann oft schon die zweite. Für mich als Verteidiger war das eine extrem schwierige Situation, weil Fouls auf dieser Position einfach dazugehören. Die Stürmer haben das natürlich auch überlauert und Situationen und Fouls herausgefordert, die mir dann übertrieben hart angelastet worden sind. Nach diesen zwei, drei Saisonen ist es dann aber plötzlich wieder besser geworden. Die Medien haben sich beruhigt und ihre "Hetze" gegen mich eingestellt. Das hat sich dann sogar fast umgedreht, und plötzlich ist gegen die Referees und die Verfolgung meiner Person geschrieben worden.

Stimmt es, dass Du eine angeborene Knorpelschwäche hast und das der Grund für Deine vielen Verletzungen war?
So kann man das gar nicht sagen. Ich glaube, dass viele falsche Belastungen im Training während meiner Jugendjahre den Ausschlag für meine späteren Verletzungen gegeben haben. Dazu sind sicher noch die vielen Schläge auf mein Knie gekommen, von denen einer eine Knorpelabsplitterung zur Folge hatte.

Wie geht man mit diesem Hin und Her zwischen sportlicher Höchstleistung und der "ständigen" Rekonvaleszenz um? Du hattest ja in Deiner Karriere insgesamt sieben Knie-Operationen.
Ich hatte das Glück, dass ich nach einer Verletzung sehr schnell meine Hochform gefunden habe. Viele Spieler haben nach Pausen ein Problem damit, wieder an alte Leistungen anschließen zu können. Das habe ich nicht gekannt. Sobald ich wieder spielen konnte und fit war, war auch meine Topform wieder da! (lacht) Sonst hätte das bei mir auch gar nicht funktioniert, wenn ich nach jeder Verletzungspause ein paar Monate gebraucht hätte, um mich wieder herantasten zu müssen!

Heute vollbringen die medizinischen Abteilungen der Fußballvereine teilweise kleine Wunder. Wie gut betreut hast Du Dich gefühlt?
Ich glaube, dass ich Top-Leute hinter mir stehen hatte. Dr. Benno Zifko, der mich immer operiert hat, war sicher ein absoluter Könner seines Fachs. Insofern war ich sicher bestens versorgt. Das große Problem bei mir war, dass ich zur Zeit der Operationen bereits ein wichtiger Teil der Mannschaft war, und Trainer und Ärzte alles versucht haben, um die Zeit bis hin zur Operation auszureizen. Da hat es zum Beispiel geheißen: Ja, der Meniskus ist zwar hin, aber schauen wir, dass er noch bis zur Winterpause hält. Das war im Nachhinein sicher nicht schlau! So sind nämlich Abnützungs-Erscheinungen dazugekommen, die eigentlich nicht notwendig gewesen wären. Als junger Spieler war ich halt sehr ehrgeizig, habe auch oft mit Spritzen gespielt. Wenn der Trainer gesagt hat, dass er mich unbedingt braucht, dann habe ich als motivierter Sportler alles versucht, um am Platz zu stehen. Meine Schmerzgrenze war immer eine sehr hohe, weswegen ich auch mit bereits akuten Verletzungen spielen konnte. Die Folgeerscheinungen konnte ich selbst ja nicht abschätzen. Gescheit war es sicher nicht, aber ich habe mich diesbezüglich auf das Ärzteteam verlassen. Heute würde ich das sicher anders machen! Hätte ich das damals schon anders gemacht, hätte meine Karriere sicher ein paar Jahre länger gedauert.

Ende der Achtziger und Anfang der Neunziger warst Du viermal hintereinander im "Team der Saison", was von einer Wahnsinns-Qualität zeugt. Für welche Ziele oder welchen Verein hätte dieses Potential noch reichen können? Gab es Angebote aus dem Ausland?
Die englische Liga wäre für mich schon eine verlockende Angelegenheit gewesen, weil mir auch der Spielstil entgegengekommen wäre. Innerhalb von Österreich hätte ich sicher nie gewechselt, weil ich ja ohnehin schon bei meinem Lieblingsverein, dem besten Österreichs, war. Zur damaligen Zeit sind aber nicht viele Verteidiger ins Ausland gewechselt, weil man sich im Zeitalter der Legionärs-Beschränkungen eher auf die Verpflichtung eines Offensivstars konzentriert hat. Einmal war angeblich ein englischer Verein an mir dran, bei dem der interessierte Manager dann aber abgelöst wurde. Ich weiß gar nicht, um welchen Klub es sich dabei gehandelt hat. Mir hat das der Verein nur kurz mitgeteilt. Einen Manager hatte ich nie. Skurril ist, dass die Austria mich holen wollte! Aber Rapid hat natürlich sofort abgewunken. Mich hat das aber nie sonderlich tangiert, weil ich in Hütteldorf im Großen und Ganzen immer sehr glücklich war.

Bei Rapid ging es ja in dieser Zeit wirtschaftlich drunter und drüber. Konnte man als Spieler schon erahnen, dass es bald zum großen Knall kommen würde?
Das war keine schöne Phase. Das Umfeld hat nicht gepasst, Spielergehälter wurden erst mit Verspätung ausgezahlt. In der Mannschaft herrschte eine Unruhe. Mein Glück war, dass ich die gute Zeit noch miterlebt habe, sonst wäre es schon sehr frustrierend gewesen. Sportlich lief es ja nicht gerade berauschend um 1990�

Damals war Hans Krankl bei Rapid erstmals Cheftrainer.
Meiner Meinung nach war es wahrscheinlich zu früh für ihn, gleich Rapid zu übernehmen. Andererseits konnte er innerhalb der Mannschaft eine irrsinnige Stimmung entfachen. Bei den beiden verlorenen Cup-Finali hat er auch Pech gehabt. Wäre es ein wenig glücklicher gelaufen, dann hätte er mit Rapid ein paar Titel in seinem Lebenslauf stehen gehabt. Wer weiß, was dann passiert wäre und ob er nicht heute noch eine große Nummer im Trainergeschäft sein würde!
Wir Spieler waren damals nicht frei im Kopf, haben uns fast jeden Tag Sorgen um den Verein gemacht. Dass es Rapid einmal nicht mehr geben könnte, haben wir zwar nicht geglaubt, aber ansonsten hat uns die Situation in Zeiten der Aktiengesellschaft etcetera schon sehr verunsichert. Eine optimale Vorbereitung auf die Matches war einfach nicht möglich.

In knapp 200 Ligaspielen bist Du auf beachtliche 15 Tore gekommen. Konntest Du die Offensivschulung in der Jugend nicht mehr aus Deinem Kopf bekommen?
Ich war ein sehr guter Kopfballspieler. Lustigerweise habe ich ziemlich viele Tore gegen die Austria (Anm.: vier waren es) gemacht, was mich jetzt noch freut! (lacht)

Du hast EC-Highlights mit PSV Eindhoven, Galatasaray, Aberdeen, Brügge, Lüttich und Inter Mailand miterlebt. Hat sich eines dieser internationalen Erlebnisse besonders in Deinem Kopf eingebrannt?
Eines der schönsten Spiele, ein großes Highlight war mit Sicherheit der 2:1-Heimsieg gegen Inter Mailand mit den drei deutschen Weltmeistern Brehme, Matthäus und Klinsmann. Wobei jeder internationale Erfolg eine große Sache war. Insofern war das Ausscheiden in Lüttich ein ziemlich dicker Wermutstropfen. An solche Ereignisse denkt man nicht so gerne, man vergisst sie aber leider auch nicht! (lacht) Ansonsten war natürlich jeder Derbysieg immer ein Erlebnis der besonderen Art.

Ist man international auswärts so fokussiert und voller Respekt, dass man den Enthusiasmus der gegnerischen Fans auszuschalten versucht, oder saugt man die Stimmung in vollen Zügen ein und genießt das außergewöhnliche Erlebnis?
Aus meiner Sicht gibt es für einen Fußballer nichts Schöneres, als in einem vollen Stadion zu spielen. Und auch wenn es mit gegnerischen Fans vollbesetzt ist - solange die Stimmung gut ist, ist man auch bereit, mehr als 100 Prozent zu geben, weil es eine zusätzliche Motivation ist. Schlimm sind Europacupspiele wie zum Beispiel in Finnland, wo das Stadion nicht einmal eine Tribüne hat und nur 2 bis 300 Zuschauer das Match mitverfolgen. Für einen Profifußballer ist das ein Albtraum!

Bist Du wehmütig, weil heute viel mehr Fans die Spiele Rapids besuchen als zu Deiner Zeit?
Nein! Ich freue mich für die Spieler, dass sie jetzt die Möglichkeit haben, zuhause vor einem vollen Stadion zu spielen. An den Leistungen hat es bei uns ja oft nicht gelegen. Ich erinnere mich an meine Anfänge, als es einmal in der Winterpause geheißen hat "Rapid hat sich zu Tode gesiegt". Obwohl wir ganz klar am Weg zum Meistertitel waren, sind die Leute nicht ins Stadion gekommen. Heute würden sie sich um die Karten raufen!

In der Nachspielzeit des Cup-Finales wurdest Du von Trainer Dokupil eingetauscht, um Dir in Deinem letzten Spiel die Ehre des Kapitäns zu erweisen, den Pokal entgegennehmen zu dürfen. Wurdest Du von dieser Geste überrascht oder war das ausgemacht?
Vielleicht war es geplant, aber ausgemacht sicher nicht. Ich bekomme heute noch eine Gänsehaut, wenn ich daran denke! Obwohl es damals nur 1:0 gestanden ist, hat mich der Trainer noch für fünf Minuten eingetauscht. Ich habe mich gleich auf den Weg zu Schiedsrichter Finzinger gemacht und gesagt, dass er abpfeifen soll, bevor ich mir noch wehtue. (lacht) Menschlich war das top von Ernst Dokupil, das war eine Aktion, die ich ihm sehr hoch anrechne!

Gab es keine Möglichkeit mehr, Deine Karriere fortzusetzen?
Leider! Es hätte einfach keinen Sinn mehr gemacht, weiterzumachen. Nach meiner letzten OP ist Dr. Zifko zu mir ins Zimmer gekommen, um mir die schlechte Nachricht zu übermitteln. Alles, was ich jetzt noch tun würde, müsste ich später bereuen - das waren seine Worte. Ich war ziemlich down und habe herumüberlegt, was man tun könne. Gerechnet habe ich ja nicht damit. Ich war damals 29 Jahre alt. Normalerweise hat man da noch vier, vielleicht noch mehr gute Jahre vor sich! So schmerzlich es aber war - die Gesundheit hat man nur einmal im Leben. Und nach ein paar Jahren mehr als Profifußballer nicht mehr gehen zu können, ist nicht dafürgestanden. Wobei ich gar nicht glaube, dass noch etwas gegangen wäre.

Den Meistertitel, das Europacup-Finale und die Gruppenphase der Champions League hast Du knapp versäumt. Hast Du damals den Abstand gesucht, oder warst Du nahe bei der Mannschaft?
Ich habe gleich einen Job bei der Firma Diadora, die damals Rapid ausgerüstet hat, bekommen und war sehr oft im Stadion. Es waren tolle Erlebnisse, teilweise vermischt mit Wehmut. Beim Finale in Brüssel habe ich mir schon gedacht, dass ich noch gerne dabei gewesen wäre. Aber letztlich bringt die Haderei ja nichts, muss man positiv in die Zukunft schauen. Über die Jahre gab es dann viele Wechsel innerhalb der Mannschaft und es waren bald nicht mehr viele Spieler da, die ich persönlich gekannt habe. Schön langsam ist der Kontakt dann eingeschlafen.

Du bist nie in den Genuss einer "richtigen" Viererkette gekommen. Wo wäre eigentlich Deine Position gewesen?
Wir haben schon damals ein sehr ähnliches System gespielt, auch wenn es noch keine astreine Viererkette war. Ich habe gemeinsam mit Peter Schöttel quasi die Innenverteidigung gebildet. Mein Platz war sicher eher auf der rechten Seite.

Im Team hast Du 31 Mal, davon alle drei Gruppenspiele bei der WM 1990 in Italien, gespielt. In der legendären Vorbereitung auf die WM hast Du Dein einziges Teamtor beim 3:2-Sieg gegen die Niederlande geschossen. Was waren die schönsten Momente Deiner ÖFB-Karriere?
Ganz klar das 3:0 gegen die DDR im Praterstadion! Es war auch deswegen ein besonderes Highlight, weil kaum mehr jemand damit gerechnet hat, dass wir die WM-Qualifikation schaffen. Vom ORF war damals schon eine Sondersendung nach dem Spiel geplant - "Wie geht es weiter mit dem österreichischen Fußball?". Und dann wollten sie unbedingt zu den Feierlichkeiten in die Kabine! (lacht) Faszinierend war auch das Einlaufen, wo 50.000 Menschen den Toni Polster ausgepfiffen haben. 90 Minuten später war er der Held der Massen. Ich hätte mir ein anderes Verhalten gewünscht und erwartet. Immerhin war es unsere letzte Chance für die Qualifikation. Das war zwar nicht in Ordnung, aber in unserer Motivation hat es uns nicht behindert. Der Toni war damals schon ein sehr offener Typ und extrem wichtig für die Stimmung und Motivation innerhalb der Mannschaft. Mich hat es jedenfalls sehr gefreut, dass dieses Spiel nach all den negativen Vorzeichen so ausgegangen ist.

Es heißt, dass Diego Maradona sich über Deine Härte im Freundschaftsspiel gegen Argentinien vor der WM nicht gefreut hat.
Ich war natürlich topmotiviert und habe ihm nichts geschenkt, das ist klar. Eigentlich ist nichts Schlimmes passiert. Nach dem Spiel ist er sofort in die Kabine gelaufen. Über seine Raunzerei habe ich dann erst in den Medien erfahren. Ich war ein harter Verteidiger, denke aber, dass Diego im Laufe seiner Karriere auch gegen ein paar andere harte Hunde gespielt haben wird. (lacht) An sich war es schon etwas ganz besonderes, gegen den einstigen "Weltfußballer des Jahres" zu spielen. Aber ich habe damals auch gegen Marco van Basten und Emilio Butragueno, die Top-Stürmer der damaligen Zeit, gespielt� und sie eigentlich auch abmontiert. (lacht)

Welchen Kontakt hast Du momentan zu Rapid?
Nicht so viel. Ich habe auch ein bisserl ein schlechtes Gewissen, weil es ja jetzt den Legendenklub gibt - eine Supersache, die der "Funki" Feurer da eingefädelt hat! Jedes Jahr, wenn ich die Karte bekomme, denke ich mir, dass ich öfters hingehen muss. Aber ich habe einen ziemlich stressigen Job und bin am Wochenende oft froh, wenn ich etwas Zeit mit meiner Familie verbringen kann. Via Medien verfolge ich schon alles, schaue mir die Top-Spiele Rapids im Fernsehen an, aber im Stadion bin ich sehr selten.

Du stehst im B-Team der Jahrhundert-Elf Rapids neben Trifon Ivanov und Max Merkel. Zufrieden?
Wer weiß, was im Falle einer längeren Karriere möglich gewesen wäre. Als Spieler will man immer in der A-Elf stehen, und so sehe ich das auch in diesem Fall! Aber abgesehen davon, dass es natürlich schwer ist, Spieler aus verschiedenen Generationen miteinander zu vergleichen, ist es trotzdem eine große Ehre für mich.

Interview vom 23.09.2010 (grela)

10 Fragen zum besseren Kennenlernen:
Lieblings-Elf aller Zeiten?

In meinen Jugendjahren war ich ein sehr großer Liverpool-Fan! Keegan, Dalglish - die haben mir extrem getaugt. Auch die Nationalmannschaft Englands habe ich immer sehr bewundert. Später hört man dann eher damit auf, andere Teams anzuhimmeln.

Das beeindruckendste Stadion, in dem Du je gespielt hast?
Das Camp Nou! Wir waren über die Verbindung von Hans Krankl beim Gamper-Turnier und haben gegen Barca gespielt. Die Kulisse, die Atmosphäre und das Stadion waren einfach gewaltig!

Deine größte Niederlage am Fußball-Platz?
Die Pleite auf den Färöer Inseln.

Rapid ist...
...sicher die Nummer 1 in Österreich und europaweit gesehen eine Top-Mannschaft!

Dein Lieblings-Gericht?
Ich liebe die italienische Küche von A bis Z.

Dein liebster Platz außerhalb von Österreich?
Die Toskana. Dort könnte ich mir auch vorstellen, irgendwann einmal zu leben. Ansonsten mag ich Mexiko und die Karibik als Urlaubs-Destinationen.

Wovor hast Du Angst?
Ich hoffe, dass mir und meiner Familie schwere Krankheiten erspart bleiben.

Eine Marotte?
Als Spieler hatte ich das "Ritual", mich nie vor einem Spiel zu rasieren. Jetzt habe ich keine Spiele mehr und bin trotzdem manchmal unrasiert. (lacht) Aber ohne Hintergrund!

Welches Talent hättest Du gerne gehabt, hattest es aber nicht?
Wenn ich es mir hätte aussuchen können, dann hätte ich mich gerne als Stürmer positioniert. Als Offensiver wird man schon viel mehr gefeiert als ein Verteidiger, der 90 Minuten seine Arbeit verrichtet.

Der beste Stürmer, gegen den Du je gespielt hast?
International gesehen van Basten und Butragueno. National war es gegen Toni Polster und Andi Ogris am unangenehmsten.